In dem Vortrag werden theoretische Grundlagen und empirische Befunde zur adaptiven Professionalisierung von (angehenden) Lehrpersonen mit einem besonderen Fokus auf eine zukunftsgerechte Begabungsförderung präsentiert. Aufgezeigt am Beispiel der Qualitätsoffensive Lehrerbildung werden dazu adäquate Qualifizierungsansätze zur diagnosebasierten individuellen Förderung im potenzialorientierten Umgang mit Diversität von Schüler_innen in der Lehrer_innenausbildung diskutiert. Zudem werden, dargelegt am Beispiel der Förderinitiative „Leistung macht Schule“, adaptive Professionalisierungskonzepte zur Gestaltung innovativer Lernarchitekturen und Begleitung persönlicher Lernprozesse von Schüler_innen in der Lehrer_innenweiterbildung vorgestellt.
Mit Blick auf die globalen gesellschaftlichen Herausforderungen erfordert eine zukunftsgerechte transformative Begabungsförderung kompetente Lehrpersonen, die innovative Lernumwelten zum selbstregulierten Lernen gestalten und partizipative Lernaktivitäten zum gemeinwohlorientierten Handeln ermöglichen. Dazu bedarf es einer adäquaten Professionalisierung von (angehenden) Lehrpersonen mit einem besonderen Fokus auf adaptive Lehrkompetenzen (d.h. fachliche, diagnostische, didaktische, kommunikative Kompetenzen). Als Querlage ist eine potenzialorientierte professionelle Haltung bedeutsam, wobei zur nachhaltigen Gestaltung innovativer Lernumgebungen verstärkt Implementations- und digitale Kompetenzen in der Lehrer_innenbildung relevant sind.
Prof. Dr. Christian Fischer ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik: Begabungsforschung und Individuelle Förderung an der Universität Münster. Er ist Vorstandsvorsitzender des Internationalen Centrums für Begabungsforschung und wissenschaftlicher Leiter des Landeskompetenzzentrums für Individuelle Förderung. Er ist Steuergruppenmitglied des Forschungsverbunds „Leistung macht Schule“ (LemaS) und Teilprojektleiter der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB). Seine Forschungsschwerpunkte sind u. a. Begabungsförderung, Diversität, Selbstreguliertes Lernen, Lehrer_innenbildung.
Der Vortrag gibt einen Überblick, was qualitätsvollen Unterricht ausmacht. Dazu wird das MAIN-Teach-Modell (Charalambous & Praetorius, 2020; Praetorius & Gräsel, 2021) herangezogen, das eine aktuelle Synthese und Weiterentwicklung der Literatur darstellt. Im Modell werden drei Schichten unterschieden, die sich in ihrer Funktion unterscheiden. Die äußerste Schicht stellt Differenzierung und Adaptivität dar. Sie ist notwendige Grundlage aller anderen Dimensionen und eng verknüpft mit diesen konzipiert. Die mittlere Schicht bilden Unterrichtsdimensionen – Klassenführung, sozio-emotionale Unterstützung, Unterstützung der aktiven Beteiligung –, die eine unterstützende, aber nicht zwingend notwendige Funktion für die innerste Schicht haben. Die innerste Schicht bilden diejenigen Dimensionen, die auf die direkte Unterstützung des Lernprozesses der Schüler_innen ausgerichtet sind: Auswahl und Thematisierung von Inhalten und Fachmethoden, kognitive Aktivierung, Unterstützung des Übens und formatives Assessment.
Nach einer Darstellung des Modells erfolgt eine Analyse dazu, was die Dimensionen für unterschiedliche Schüler_innengruppen bedeuten und wie entsprechend eine optimale Förderung von begabten Schüler_innen im Unterricht erfolgen kann.
Prof. Dr. Anna-Katharina Praetorius ist seit 2018 Professorin für pädagogisch-psychologische Lehr-Lernforschung und Didaktik an der Universität Zürich. Der aktuelle Fokus ihrer Forschung liegt auf der konzeptuellen und methodischen Weiterentwicklung der Unterrichtsqualitätsforschung. Sie gehört zu den international führenden Unterrichtsforschenden.
Die bundesweit in Deutschland 2018 gestartet Initiative „Leistung macht Schule LemaS“ zur begabungs- und leistungsfördernden Schul- und Unterrichtsentwicklung befindet sich mittlerweile in der zweiten Hälfte der ersten Phase. Der Vortrag zieht eine Zwischenbilanz mit Blick auf die Prozesse, Produkte und Wirkungen des Projekts LemaS auf Schul- und Systemebene.
Konkret werden erstens begabungs- und leistungsfördernde Leitbild- und Schulentwicklungsprozesse und daraus entwickelte Produkte vorgestellt, u. a. die Dimensionen einer begabungs- und leistungsfördernden Schule sowie Toolboxkarten für eine begabungs- und leistungsfördernde Schulgestaltung.
Zweitens werden die bildungstheoretischen Grundlagen, die Ziele und methodischen Besonderheiten von LemaS diskutiert und Einblicke in die Zusammenarbeit von Wissenschaft, Praxis und bildungspolitischen Akteuren gegeben.
Unter der Frage: „Was bedeutet eigentlich Gelingen für LemaS?“ werden drittens erste Forschungsbefunde zu Gelingensbedingungen etwa für eine begabungs- und leistungsfördernde Schulentwicklung oder die Wissenschaft-Praxis-Brücke präsentiert und im Dialog mit einer Schulleitung Einblicke in die Praxis der Begabungs- und Leistungsförderung an ihrer Schule ermöglicht.
Abschließend werden Empfehlungen für Österreich abgeleitet.
Prof. Dr. Gabriele Weigand ist Professorin für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte führten sie an zahlreiche ausländische Universitäten. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Personale Pädagogik, Begabungs- und Schulforschung, Institutionelle und Interkulturelle Pädagogik. Sie war als Lehrerin an Gymnasien und in der Schulleitung tätig, ist Mitglied des International Panel of Experts of Gifted Education (iPEGE) und leitet seit 2018 den vom BMBF geförderten bundesweiten Forschungsverbund Leistung macht Schule (LemaS).
Seit Dekaden steigt in den modernen digitalisierten Wissens- und Informationsgesellschaften der Innovationsdruck rasant an. Dies führte unter anderem dazu, dass in zahlreichen Ländern die Talentsuche intensiviert und die Talentförderung ausgebaut wurde. Im Zuge kritischer Meta-Analysen wurde jedoch recht schnell klar, dass traditionelle Identifikations- und Fördermethoden in ihrer Wirkung limitiert und zudem mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden sind. Beispielsweise zeigte sich unter dem Aspekt der Bildungsgerechtigkeit, dass nicht alle Talente gleichermaßen die Chance haben, ihre Potentiale auszuschöpfen. Studien zeigen, dass Faktoren wie beispielsweise sozioökonomischer Hintergrund, Geschlecht oder Ethnie die Chancen verringern können, das eigene Talent zu entwickeln.
Neue Begabungsmodelle nehmen daher eine ganzheitlichere Perspektive ein. Der Fokus der Förderung ist nicht mehr nur das Individuum, sondern das Individuum, das in seinem sozioökologischen Kontext lernt und sich entwickelt. Dieser Trend spiegelt sich auch in einer Erweiterung der Fachsprache wider. Neue Begrifflichkeiten wie smarte Umwelten, Lernpfade, Lernsoziotope und Megatope wurden eingeführt.
Vor diesem Hintergrund einer sich verändernden Talentforschung und Förderlandschaft werden im Vortrag vier Fragen behandelt:
(1) Warum ist die alte Formel „Talente finden und fördern“ überholt und rückständig?
(2) Wie kann ein effektives Zusammenspiel zwischen Individuum und Umwelt in der Talentförderung gestaltet werden?
(3) Welche Umwelten haben die stärksten Förderwirkungen?
(4) Wie kann eine bildungsgerechte Begabungsförderung aussehen?
Prof. Dr. Albert Ziegler ist seit 2011 Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogische Psychologie und Exzellenzforschung an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist Direktor des South-German Talent Center. Er hat ca. 450 wissenschaftliche Arbeiten publiziert, die in 21 Sprachen erschienen sind bzw. übersetzt wurden. Er entwickelte das Aktiotop-Modell, das auf einem systemischen Ansatz beruht. Seine wichtigsten Forschungsgebiete sind neben der Begabungsforschung Motivation, selbst-reguliertes Lernen, Modelllernen und Mentoring. Er ist gegenwärtig Generalsekretär der International Research Association for Talent Development and Excellence (IRATDE), Vize-Präsident des European Council for High Ability (ECHA). Er war Grünungs-Chairman des European Talent Support Network (ETSN). Seit 2017 fungiert er auch als Direktor am World Giftedness Center in Dubai.